Nürnberger Dialog zur Berufsbildung am 12.03.2015

„Aus Hänschen wird HANS – Stationen am Bildungslebensweg“

Zahlreiche Bildungsverantwortliche und Interessierte aus Unternehmen, Schulen, Behörden und IHKs aus der gesamten Bundesrepublik waren in der IHK Akademie Mittelfranken zu Gast beim Nürnberger Dialog zur Berufsbildung. Dies ist eine Veranstaltungsreihe, die von der IHK Nürnberg für Mittelfranken und der Aufgabenstelle für kaufmännische Abschluss- und Zwischenprüfungen (AkA) gemeinsam durchgeführt wird.

Die 5. Auflage stand unter dem Motto „Aus Hänschen wird HANS – Stationen am Bildungslebensweg“ und wurde von der Stellvertretenden Hauptgeschäftsführerin und Geschäftsführerin des Geschäftsbereichs Bildung der IHK Nürnberg für Mittelfranken, Ursula Poller, sowie dem AkA-Geschäftsführer Dr. Wolfgang Vogel geplant und moderiert.

Namhafte Referenten beleuchteten vier ausgewählte Stationen am Bildungslebensweg. Den Anfang machte Dr. Maya Götz, Geschäftsführerin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk. In ihrem sehr lebhaften, mit Bild- und Videomaterial angereicherten Vortrag „Was passiert mit unseren Kindern? – Von Lillifee zu Topmodel, von Superman zu Homer Simpson – Einflussfaktor Rollenbilder in den Medien“ ging sie der Frage nach, welchen Einfluss die von den Medien vermittelten Rollenbilder auf die kindliche Entwicklung nehmen. Dabei lieferte sie erstaunliche Erkenntnisse ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen und zeigte auf, wie Mädchen und Jungen sich mit Phantasiefiguren identifizieren und von diesen latent und nicht immer positiv geprägt werden. Dies war nicht nur bildungspolitisch interessant, sondern machte vor allem die Eltern unter den Zuhörern sehr nachdenklich.

Prof. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann, emeritierter Schulpädagoge von der Universität Bielefeld, stellte unter dem Titel „Was wollen Eltern wirklich?“ interessante zentrale Ergebnisse der von ihm koordinierten und wissenschaftlich begleiteten 3. JAKO-O-Bildungsstudie vor. Darin wurden Eltern gefragt, wie sie sich Schule idealerweise vorstellen. So wünschen sie sich beispielsweise keinen zu frühen und zu starken Leistungsdruck. Weiter besteht der Wunsch nach einem Platz an einer Ganztagesschule, gleichwohl kritisieren sie aber die dort herrschende pädagogische Praxis. Zur Gymnasialzeit und zum Abitur lehnen die Eltern das G8 mehrheitlich ab, unterscheiden sich in der Stresswahrnehmung zwischen G8 und G9 aber nur minimal und fühlen mit deutlicher Mehrheit ihre Kinder in der Schule nicht überfordert. Mit überwältigender Mehrheit – über 90% – wünschen sich Eltern ein bundesweites Zentralabitur!

Der Bildungsforscher Prof. Dr. Fritz Dieter Neumann von der Leuphana-Universität Lüneburg plädierte in seinem Vortrag „Wende in der deutschen Bildungsdiskussion? Akademikerquote nicht mehr das Maß aller Dinge?“ für eine Wende in der Bildungsdiskussion in der Bundesrepublik. Er setzte sich mit dem „Akademisierungswahn“ auseinander und kritisierte insbesondere die OECD, die in Unkenntnis des hiesigen dualen Systems für die Bundesrepublik immer wieder die Erhöhung der Akademiker-Quote fordert. Mit deutlichen Worten und dem Verweis auf die sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit in genau den (südeuropäischen) Ländern mit hoher Akademikerquote zeigte er prononciert die daraus folgenden Verwerfungen und Fehlallokationen im Bildungssystem auf. Folge seien ein Niveauverlust im allgemeinbildenden Schulwesen, der Rückgang der Ausbildungs- und Studierfähigkeit und die Degradierung des Abiturs zum neuen Hauptschulabschluss und der Universität zur Volkshochschule. Sein Plädoyer galt dem gegliederten und den unterschiedlichen Begabungen gerecht werdenden Schulsystem.

Spannend wurde es beim Vortrag von Dr. Katharina Schnurer und Dr. Dirk Oberschachtsiek von der IHK-Forschungsstelle Bildung Bayern. In Ihrem Vortrag „IHK-Datenschatz zentrale Abschlussprüfung? – Gibt es Indizien für eine ausgleichende Bildungsleistung des Dualen Systems?“ berichteten Sie erstmals öffentlich über erste Ergebnisse eines Pilotforschungsprojekts zur Auswertung der bei den IHKs vorhandenen Ergebnisdaten der bundeseinheitlichen Abschlussprüfungen auf Basis einer Stichprobe von 20 IHKs mit über 145.000 Fachnotensätzen von über 18.000 Prüfungsteilnehmern am Beispiel der Kaufleute im Einzelhandel. Die Verknüpfung mit weiteren Daten – insbesondere der Schulbildung und dem Schulabschluss der Auszubildenden – lässt erste Hinweise darauf zu, dass das duale System gegenüber dem allgemeinbildenden Schulsystem eine ausgleichende Bildungsleistung generieren kann. In diesem Forschungsfeld, das auf Datenmaterial aufbaut, über das nur die IHKs aufgrund der seit 2007 bundeseinheitlichen IHK-Abschlussprüfungen verfügen, lassen sich – so viel wurde bereits deutlich – weitere hochinteressante und bildungspolitisch spannende Forschungsfragen zu den Erfolgen einer dualen Ausbildung generieren und untersuchen. Damit wird auch die Rolle der IHK-Organisation als relevanter Hauptakteur des dualen Systems deutlich betont.

UP/Vl

Das Programm zur Veranstaltung sowie die gezeigten Folien (folgen Sie dem Link unter „PDF“) finden Sie hier.

Bilder von der Veranstaltung finden Sie hier.
Alle Fotos: © IHK Nürnberg / Dawid Jankowski